Absolventen im E-Commerce

Was erwartet Bachelor-Absolventen im E-Commerce?

In diesem Interview unterhalten sich Andreas Kraus und Claudia Blaha BSc MA, Marktforscherin Stabstelle Strategie & Entwicklung der Fachhochschule Wiener Neustadt über die zukünftigen Herausforderungen Mitarbeiter zu finden, das richtige Mindset zu Online Marketing und die fachlichen und sozialen Kompetenzen, welche von “Bachelor” Absolventen im Online Marketing mitgebracht werden sollten.

Claudia Blaha schloss das BWL-Studium mit dem Fokus „KMU-Management“ und „Marketing & Consumer Research“ an der Wirtschaftsuniversität Wien ab und absolvierte danach erfolgreich den Master-Studiengang „Consumer Affairs“ an der FH Wiener Neustadt Campus Wieselburg. Während des Studiums sammelte sie sowohl Auslandserfahrung an der Tampere University of Applied Scienes als auch berufliche Kenntnisse als Junior Research Manager bei Helene Karmasin Behavioural Insights. Diese vertiefte sie weitere drei Jahre im Unternehmen. Seit 2020 ist Claudia als leidenschaftliche Marktforscherin an der FH Wiener Neustadt, Stabsstelle Strategie & Entwicklung, tätig – im Speziellen beschäftigt sie sich mit der Abwicklung interner Marktforschungsprojekte, Bedarfs- und Akzeptanzanalysen im Rahmen von Studiengangsrevisionen sowie Erhebungen zu internen strategischen Projekten.

Claudia Blaha: Welche Trends, welche Herausforderungen siehst du in naher Zukunft auf dich, auf dein Unternehmen, auf deine Branche zukommen? Hast du etwas im Hinterkopf, wo du sagst, dass du darauf achten wirst?

Andreas Kraus: Wenn wir unternehmerische Probleme betrachten kommt es ein wenig darauf an, welchen Aspekt wir betrachten. Anhand der Kernprozesse beschrieben: Im Sales, also in der Neukundenansprache, sehe ich keine großartige Herausforderung, weil es extrem viel Bedarf im Markt gibt. 9 von 10 Betrieben, mit denen wir reden lassen viel Potenzial liegen obwohl sie glauben dass sie vernünftiges Online-Marketing machen. Sie machen es teilweise schlecht, sind aber aufgrund von fehlendem Know-how der Überzeugung, dass sie es eigentlich richtig machen. Es geht eher um das Thema Sensibilisierung, wie man das macht bzw. was die richtige Denkweise und das richtige Mindset ist. Wir investieren im mittleren vierstelligen Bereich im Monat in Online-Themen bei uns selbst, aber es gibt Kunden, die Jahresumsätze jenseits der 100 Millionen haben und die nicht einmal halb so viel investieren wie wir, jedoch einen Marktanspruch von zwei bis drei Ländern haben. Ihnen fehlt die Awareness und das sehe ich ganz oft, dass Marketing immer noch, speziell in Industrie und produzierenden Betrieben, ein Stiefkind ist. Es wird verallgemeinert, dass mit Marketing nur Folder produziert werden, das ist es in Wahrheit aber nicht.

Ein kritisches und großes Thema ist: Mitarbeiter. Wir haben eine riesige Herausforderung, Mitarbeiter zu finden. Aus meiner Sicht gibt es entweder motivierte Leute, die noch gar nichts können oder, was auch problematisch ist, dass für tatsächliche Agenturarbeit das theoretische Wissen nicht reicht. Heute zu sagen, man ist mit einer Ausbildung fertig und kann Google Ads oder Facebook Ads bedienen, reicht nicht. Dies lernen unsere Lehrlinge in einem einmonatigen Online-Kurs. Das Schwierige ist, das unternehmerische Verständnis zu haben, wie ein Geschäftsmodell funktioniert. Bei einem Mechaniker-Betrieb, einem Autofachhandel oder einer Versicherungsagentur zu verstehen, wo die Margen sind. Dass man das Geschäftsmodell des Unternehmens versteht und auch Marketing für den Betrieb machen oder Werbung schalten kann, je nachdem, wie man es sieht. Das ist das Schwierigste und die massivste Barriere, wenn es darum geht, dass man jemanden auf einem Senior-Level einstellt, der einen Unternehmer oder einen Entscheidungsträger für eine spezifische Firma überhaupt begleiten kann. Alles andere ist gar nicht tragisch.

Wenn man das mit dem Thema Studiengang und dem Wissen im Netz vergleicht: Man kann die Basisaufgaben einem Junior (nicht Akademiker, sondern Lehrling) über Online- oder eigene Inhalte beibringen, die produziert wurden. Aber darüber hinausgehend, wie man sich strukturiert mit einer Problemstellung befasst, das geht erst, nachdem jemand ein Studium gemacht hat. Das schaffen die Leute in der Regel, weil sie diese wissenschaftliche Arbeitsweise einmal gelernt haben. Wir machen das selber auch, wir produzieren Studien bei uns selbst, zum Beispiel Umfragen und erarbeiten das auch, aber dieses unternehmerische Verständnis fehlt immer. Dies ist schwierig zu entwickeln. Ich bekomme das mit, wenn Leute mit Unternehmen zu tun haben. Ich selbst mache für unsere Mitarbeiter regelmäßig Analysen von Firmen im Netz und sage ihnen, was ich dazu denke, z. B. wo dort die Marge ist oder wo ihre Problemstellungen in der Regel liegen. Das funktioniert nur, wenn es viel und oft gehört wird.

In der Abarbeitung bzw. in der Leistungserbringung sehe ich die Herausforderung, dass es vielleicht Regularien geben wird, die gewisse Geschäftsbereiche einfach zunichtemachen lönnten. Wenn Meta oder Google im Kreuzfeuer von Datenschutz und sonstigen anderen Themen sind,dann wäre es möglich dass Unternehmen sagen: “Ich kann Google nicht mehr bespielen, es funktioniert einfach nicht mehr, weil ich das nicht mehr mit dem Thema Datenschutz vereinbaren kann.” Das sind schon Themen, die ich mir einmal überlegt habe. Das ist nicht komplett out of space und wird vielleicht niemals eintreten. Ich sehe trotzdem schon eine blinde Gefahr, dass vielleicht ganze Kanäle irgendwann einfach weg sind und es sie einfach nicht mehr gibt.

Claudia Blaha: Was wären Alternativen dazu?

Andreas Kraus: Das ist schwer zu sagen. Ich tausche mich mit vielen Online-Marketing-Urgesteinen aus und ich würde sagen, das es schwer zu prognostizieren ist. Das hängt viel mit dem Mindset zusammen. Aktuell ist das Mindset, dass man Online-Marketing macht und alles messen kann. De facto, in der Realität ist das nicht der Fall. Man muss drei Ebenen hinauf gehen und anfangen, Signale zu interpretieren und zu schauen, ob die User, die mit der Anzeige angesprochen wurden, die richtigen User sind, z. B. verhalten sich die User, wie erwartet.

Viele erkennen nicht, dass jede Impression, die sie erzeugen, ein Wert für das Unternehmen ist. Den Kunden auf seiner Customer Journey (die nicht mehr drei Touch Points, sondern mittlerweile 12-14 hat) versuchen die Unternehmen zu visualisieren und darzustellen. Das funktioniert teilweise auch, aber ich bin eher so, dass wir unsere Werbeanzeigen für uns gar nicht messen. Ich schaue mir nicht an, wie viel Conversion ich über welchen Kanal bei uns auf der Homepage mache. Ich weiß, dass es funktioniert. Ich weiß mittlerweile, dass ich die richtige Zielgruppe erreiche und ich weiß, wenn diese Zielgruppe bei mir auf der Webseite ist, sie sich früher oder später (oder nicht) entscheiden wird. Das hat nichts mit der Anzeige zu tun, die Anzeige bringt mir nur die Leute.

Das ist ein Mindset-Problem, das viele Unternehmer haben, das werden wir nicht so schnell wegbekommen, weil es „viele junge, dahergelaufene Agenturen“ gibt, die mit diesem Aspekt werben, im Sinne von: “Wenn du Online-Marketing machst, kann ich dir alles nachweisen.” Das gibt es, es gibt tatsächlich Betriebe, wo das funktioniert, aber es gibt auch viele, da geht das einfach nicht.

Claudia Blaha: Dankeschön dafür. Du hast vorher schon die Kompetenz angesprochen, Geschäftssinn zu haben und unterschiedliche Branchen verstehen können. Das ist eine gute Überleitung zur zweiten Frage: Wo siehst du denn Kompetenzen, die Absolventen und Absolventinnen auf Bachelor-Level, im Online-Marketing und im E-Commerce brauchen? Das betrifft sowohl soziale Kompetenzen als auch fachliche Kompetenzen.

Andreas Kraus: Aus meiner Sicht müssen die Absolventen einfach nur Unternehmen verstehen. Natürlich ist wahrscheinlich nicht die Pflicht einer akademischen Einrichtung, das zu machen, das ist mir klar. Aber irgendwo könnte man sich diese Pflicht heranziehen als angewandtes, wissenschaftliches Institut mit dem Stichwort „angewandt“ und „praxisnahe“, und dass man sich Dinge überlegt, wie die Studenten dieses Denken bekommen können. Ein klassisches Beispiel könnte sein: Es gibt diverse Unternehmensgruppen, zum Beispiel BNI (Business Network International), wo die Unternehmer einmal pro Woche miteinander frühstücken gehen. Das ist eine schräge Community, aber was wichtig ist: In Wiener Neustadt gibt es eine Gruppe mit 50-60 Leuten und ich war da am Anfang dabei. Jemand, der in einem Bachelor-Studium ist und das ein Jahr lang macht und darüber etwas schreibt – eine Seminararbeit oder was auch immer – der sieht dort jede Woche, wie sich diese Unternehmer präsentieren und kann mit jedem in den Dialog gehen und herausfinden, wo deren Margen liegen und deren Business funktioniert. Ich mache das mit meinen Mitarbeitern: Wenn sie ein gewisses Level haben und ready dafür sind, besuchen sie ein Jahr in so eine Gruppe. Nicht, um Kunden zu generieren, sondern um zu sehen, wie Unternehmer ticken. Wenn der Mechaniker 250 Euro verlangt, denkt sich der Durchschnittsbürger: “Wie kann das sein, wie kann er das verlangen?” Dann versteht er den Konnex zu seinem eigenen Stundenlohn gar nicht. Dass er eigentlich in einer Situation ist, wo er gerne 80 Euro brutto die Stunde verdienen würde (überspitzt gesagt). Da wollen ja viele hin. Das ist aber auch bei Firmen, so wie dem Autohaus Czeczelits, vor dem ich gerade stehe, dass Leute in der Wertschöpfungskette dahinterstehen.

Wenn man die Kalkulation dahinter versteht, versteht man auch, was man für Marketing oder Werbung investieren muss, wie sich das rechnen muss und wann die Wertschöpfung einer Werbung eintritt. Das beginnt schon damit, wenn ich als Marketing-Agentur den Czeczelits-24 Stunden-Abschleppdienst oder ein Leasing bewerbe. Wann tritt die Wertschöpfung ein und wann kann ich mit meinen theoretischen Kennzahlen um mich schmeißen? Das wären “Return on Ad Spend” und “Return Invest”, Begriffe die gerne verwendet werden. Keiner weiß aber, woher das kommt. Keiner beschäftigt sich mit dem Unternehmen. Das ist ein riesiger negativer Faktor bei Werbeagenturen, weil sie einfach Werber und keine Unternehmer sind. Das ist auch ein riesiger Faktor bei Marketing-Managern, denn das Fachliche beizubringen ist nicht das Problem. Wir haben einen Fotografen im Unternehmen, welcher auf Google Ads umgeschult wird. Er ist 1,5 Monate im Kurs bzw. im Coaching im Kampagnen-Team und kann komplette Accounts aufsetzen, weil er davor Unternehmer war. Er versteht, wie Unternehmen funktionieren. Meine Linie geht ganz klar nicht dorthin, dass es mehr Inhalte zum Thema Google Ads braucht. Natürlich braucht man diese Werkzeuge und die Leute müssen diese Tools auswendig können, aber die Leute brauchen mehr Verständnis davon, wie Unternehmertum funktioniert, im Sinne von konkreten Geschäftsmodellen aus dem Alltag.

Claudia Blaha: Das ist wertvoller Input, vielen Dank. Du sagst, gewisse Tools braucht man, da sie Standard sind. Gibt es noch weitere Tools oder Bereiche, die man im Marketing draufhaben muss, abgesehen von den Dingen, die wir bereits besprochen haben, wie unternehmerisches Denken? Im Agentur-Umfeld gibt es eine Handvoll Tools, die man kennen sollte. Welche sind das?

Andreas Kraus: Asana, Sepia, Hubspot, Soho, Pipedrive, es gibt hier viele unterschiedliche Tools welche interessant für Unternehmer sind.

Ich bin gerne bereit, diese Themen als Vortragender zu behandeln. Es gibt selten Leute, die das und deren Zusammenhänge erklären können. Online-Marketing ist: Wie handle ich Tools und wie setze ich sie richtig ein? Es gibt hunderte Tools, aber heute sollte man als Online-Marketer ein Newsletter-System und ein Task Management bedienen können, das ist sozusagen “state of the art” heutzutage. Ich meine keinen Online-Marketer, der in einen verstaubten Betrieb geht und heute noch hinterfragt, ob Online-Marketing Sinn macht, während die Kunden nicht mehr in den Kanälen unterwegs sind, wo sie noch Werbung machen. Die haben diesen Zug komplett verpasst. Wie haben Agenturen also heute zu arbeiten? Es gibt einen Tool-Mix, den 80 % der modernen Agenturen nutzen und das sollte man auf alle Fälle können. Das gehört auch in einen Studiengang, dass man diese Tools in- und auswendig kann. Wenn man das Studium abschließt und diese Tools kann, freut sich jedes Unternehmen. Das ist de facto ein super Asset.

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